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High-Tech trifft Tradition, 100 Jahre Maschinenbau aus Rottweil-Neukirch
2019-08-27
High-Tech trifft Tradition, 100 Jahre Maschinenbau aus Rottweil-NeukirchErstes Geschäftshaus der „Christof Reinhardt, mechanischen Werkstätte“ in Schömberg.

Reinhardt Maschinenbau wurde 1919 als mechanische Werkstätte gegründet und hat sich heute zu einem weltweiten Lieferanten für moderne Optimierungskappsägen und Produktionsanlagen der holzverarbeitenden Industrie entwickelt. Vor fünf Jahren hat die Paul Maschinenfabrik aus Dürmentingen den einstigen Konkurrenten übernommen und führt seither das Know-How und die 100-jährige Tradition der Marke Reinhardt am Standort Neukirch fort.

Christof Reinhardt erwarb im Jahr 1919 in Schömberg, mitten im Ort ein Geschäftshaus. Im Erdgeschoss eröffnete dessen Frau in der einen Hälfte ein Lebensmittelgeschäft und er, in der anderen Hälfte die „Christof Reinhardt, mechanische Werkstätte“. Er beschäftigte sich damals hauptsächlich mit der Aufstellung und Instandsetzung von Wasserkraft-Anlagen und Dampfmaschinen im Leistungsbereich von 20 bis 300 PS sowie Holzbearbeitungsmaschinen. Aus handschriftlichen Notizen ist ersichtlich, dass er deutschlandweit tätig war. Der Bereich Wasserkraft- und Dampfmaschinen war anfänglich der Schwerpunkt seiner Tätigkeiten, denn Sägewerke und Mühlen erzeugten für ihren Eigenbedarf die Energie selbst. Dieser Geschäftszweig war jedoch bald stark rückläufig, denn die sich etablierenden großen Energie-Versorgungs-Unternehmen verstanden es, kleine Energie-Erzeuger früher oder später aus der Branche zu drängen. Deshalb wurden diese kleinen Anlagen nach und nach stillgelegt. Während der Kriegsjahre verstarb Christof Reinhardt und seine beiden Söhne waren beim Militär, sodass die Geschäftstätigkeit ganz zum Erliegen kam.

Anfang der 1950er konzentrierte sich die Tätigkeit der Firma Reinhardt dann zur Gänze auf die eigene Entwicklung und Produktion von Holzbearbeitungsmaschinen und man firmierte als „Christof Reinhardt, Maschinenbau“. Das Unternehmen kaufte ein Anwesen, etwa einen Kilometer außerhalb des Ortes mit mehreren Gebäuden und ausreichend Fläche zur Erweiterung. Der erste „Renner“ war eine, für kleinere Sägewerke ausgelegte „Lattenaufbereitungsanlage“ zum Auskappen, Sortieren und Bündeln anfallender Dachlatten aus der Seitenware. Danach entwickelte das Unternehmen eine Untertischkappsäge. Das Herzstück war ein, aus mehreren Hebeln bestehendes Gestänge, welches das Sägeblatt zuerst aus dem Arbeitstisch auftauchen lässt und danach parallel zum Maschinentisch waagrecht führt. Auf diese Weise erreicht die Maschine einen möglichst großen Schnittbereich. Die Maschine wurde vom Markt sehr gut angenommen. Ende der 1950er fand man in der Firma Max Paul und Söhne aus Dürmentingen einen potenten Vertriebspartner. So konnte die Produktion auf täglich eine Maschine samt Zubehör (Einlauftisch, Auslauftisch, Anschläge) gesteigert werden. Diese Zusammenarbeit wurde allerdings durch die Firma Reinhardt nach kurzer Zeit wieder beendet, was dazu führte, dass Max Paul daraufhin selbst Untertischkappsägen baute und nun als direkter Wettbewerber auftrat.

Reinhardt-Untertischkappsägen fanden Abnehmer in allen Bereichen der gesamten holzverarbeitenden Industrie. Massive Eichenmöbel wurden modern. Die Fensterindustrie setzte auf Tropen-Hölzer. Schwere Bohlen und Kanthölzer wurden in immer größeren Mengen verarbeitet, für die Arbeiter an den Kappsägen eine körperliche Herausforderung. Als Antwort stellte Reinhardt Mitte der 1960er als erstes und einziges Unternehmen eine Kappanlage mit Kipp-Entstapelung und automatischem Anschlagsystem auf der Hannover Industrie Messe aus. Die Firma kam mit vollen Auftragsbüchern von der Messe zurück. Die alten Produktionsräume wurden allmählich zu klein, deshalb baute Reinhardt im Herbst 1973 eine neue Produktions-Halle mit Portal-Krananlage. Nun endlich konnten auch größere und schwerere Maschinen und Anlagen hergestellt, im Hause komplett zusammengestellt und Probe gefahren werden.

Mitten in der Entwicklung einer neuen Säge, mit automatischem Vorschubsystem zur Werkstückpositionierung und elektronischer Steuerung, überraschte im Sommer 1974 ein Jahrhundert-Hochwasser, das den gesamten Betrieb überschwemmte, die Firma Reinhardt. Das Wasser stand in allen Räumen etwa 1,4 Meter hoch. Sämtliche Maschinen und Einrichtungen waren beschädigt oder unbrauchbar. Unterstützung gab es nicht, weder bei den Aufräumarbeiten noch bei der Wiederherstellung der Produktionseinrichtungen, was sich über mehrere Monate hinweg zog. In dieser Zeit konnte Reinhardt weder Maschinen fertigen oder liefern, noch neue Aufträge annehmen. Nach einem halben Jahr Total-Ausfall liefen die Geschäfte wieder an, aber das finanzielle Resultat war fatal. Anschließende jahrelange Verhandlungen mit den Behörden bezüglich eines wirksamen Hochwasserschutzes blieben erfolglos. Konsequenterweise suchte Reinhardt nach einem neuen Standort. Im benachbarten Rottweil-Neukirch war das Unternehmen willkommen. Stadtverwaltung und Bauamt bemühten sich sehr um zügige Entscheidungen. Planung und Bau liefen glatt. Der Umzug von Schömberg nach Neukirch erfolgte 1983.

Die erste Produktion am neuen Standort war eine Neuentwicklung: ein Vorschubsystem mit Zangengreifer statt einem Walzenvorschub, um bei großen Längen eine bessere Wiederholgenauigkeit zu erreichen. Das war die Basis für die heutigen Typenreihen QuickStop und SlimLine. Am neuen Standort konnten wesentlich größere Projekte verwirklicht werden. So beteiligte sich Reinhardt 2003 an der Ausschreibung für eine komplette Parkettfabrik nach Australien und erhielt den Zuschlag. Dieses Werk konnte nach einer Montage- und Inbetriebnahme-Zeit von etwa acht Monaten schlüsselfertig und funktionsfähig übergeben werden. Aber nicht alle Großprojekte liefen so reibungslos wie dieser Australien-Auftrag. Zur Finanzierung der Groß-Projekte benötigte Reinhardt meistens Fremdkapital und der Kapitalrückfluss erfolgte nicht immer planmäßig, was 2014 zur Übernahme durch die Firma Paul aus Dürmentingen führte. Seither führt Paul die Marke Reinhardt am Standort Rottweil-Neukirch fort und trug damit einen wesentlichen Teil zum Erreichen des 100jährigen Bestehens bei.